Samstag, 30. März 2013

Ein wunderschönes Zwischenseminar

Hier habt ihr erstmal meinen Rundbrief, der grob zusammenfasst, was ich in den letzten Monaten so gemacht hab - verdammt, letzter Blogeintrag im November! Aber viel beschäftigte Leute haben halt Wichtigeres zu tun...stimmt, da kann man ein wenig Ironie heraushören; die meisten wissen ja, dass ich viel Freizeit habe und die Zeit hier in Frankreich sehr ausnutzen und genießen kann.

Vor einigen Wochen hatten wir unser Zwischenseminar in Tallinn, welches super schön war!
Das Hinkommen lief nicht ganz wie vorhergesehen, was jedoch nicht weiter schlimm war. Unser Zug nach Paris, den wir früh morgens nahmen, hatte knapp zwei Stunden Verspätung wegen "Schneechaos" - da ist die SNCF wohl nicht viel besser als die Deutsche Bahn. Etwas gestresst kamen wir also am Flughafen an, davon ausgehend, unseren Flug verpasst zu haben. Allerdings hatte auch dieser am Ende fünf Stunden Verspätung (während der Wartezeit haben wir den Mitarbeitern zugeguckt, die neben den Flugzeugen Schneeballschlachten veranstaltet haben), sodass wir zwar nach Helsinki kamen, dort aber unseren Anschlussflug verpasst hatten.
Uns stand zur Wahl entweder ein späterer Flug oder eine Nacht im Hotel in Helsinki. Nach einigem Hin- und Herüberlegen entschieden wir uns für den Flug, da wir unsere erste Couchsurf-Erfahrung eigentlich nicht verpassen wollten. So kamen wir um ein Uhr nachts bei unserer Couch in Tallinn an und wurden auch trotz der späten Uhrzeit sehr nett empfangen.
Sogar ein "super healthy porridge with plenty of different grains"wurde uns zum Frühstück serviert. Mit vielen Muffins (unser Host bäckt gerne, ist jedoch zur Zeit auf Diät und wollte sie nicht selber essen) und einer Gay Map der Hauptstadt Estlands ausgestattet, machten wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zu der Unterkunft, in der wir während des Seminars bleiben würden.
Diese lag mitten in der kleinen, schneebedeckten, kalten, aber wunderschönen Altstadt Tallinns, die wir in den folgenden Tagen erkunden würden.

Gruppenfoto Nr.1 -  das Seminar war kein Honigschlecken, es wurde hart gearbeitet

Gruppenfoto Nr. 2 - glücklich, es überstanden zu haben ;)

Viel Programm hatten wir nicht. Im Großen und Ganzen ging es hauptsächlich darum, uns über Erfahrungen, eventuelle Probleme, Wünsche, Pläne usw. auszutauschen und unser Projekt den anderen ausführlich vorzustellen.
Es war schön, sich mit den anderen über all diese Dinge unterhalten zu können, da wir ja alle mehr oder weniger in einer ähnlichen Situation sind und zum Teil mit den gleichen Sachen konfrontiert werden.
Häufig gingen Programm und Freizeit fließend ineinander über, die Zeiten wurden unterschiedlich interpretiert, Themen abends weiter diskutiert, Kaffee und Kuchen wurde auch meist eingeschoben und alles in allem gab es eine sehr entspannte und gemütliche Atmosphäre.
Es war super, die anderen Mitfreiwilligen, die wir zum Großteil seit Sommer nicht gesehen hatten, wiederzutreffen!
In der freien Zeit haben wir viel gekocht, da wir uns selbst versorgen mussten; so kam es vor, dass wir mit der ganzen Gruppe (wir waren 12 Freiwillige aus Russland, Rumänien, England und Frankreich plus eine Ehemalige, die das Seminar zusammen mit Ralf, dem für das ganze Freiwilligenprogramm zuständigen Pfarrer, leitete) in der Küche saßen und selbstgemachte Gnocci formten. Ansonsten sind wir durch die Stadt gelaufen, waren in gemütlichen Kellerbars und -cafés und nicht zu vergessen, haben ewig lange Werwolf gespielt, so wie es die EKiR-Kultur erfordert!




Der Rückweg war ähnlich spannend wie der Hinweg. Zunächst flogen wir nach Helsinki (wir hatten zufällig den gleichen Flug gebucht wie Otto und Tristan aus Paris), wo wir die Nacht im Kinderspieleraum des Flughafens verbrachten. Ein Glück, dass wir, als plötzlich zwei Sicherheitsangestellte kamen, gerade brav unsere Zähne putzen und nur Wasser tranken, sodass wir nicht hinausgeworfen wurden, sondern bis zum nächsten Morgen bleiben durften, bis wir dann unseren Anschlussflug nach Paris nahmen.
Dort angekommen lieferten Marie und ich zunächst unsere Sachen bei Otto und Tristan ab und machten uns dann auf den Weg in die Innenstadt, um noch ein wenig Tourist zu spielen. Die folgende Nacht schliefen wir im Wohnzimmer unserer beiden Mitfreiwilligen, wobei abends noch Max, der andere Volontär aus Paris, vorbeikam, sodass wir in geschrumpfter Gruppe noch einen weiteren schönen Freiwilligenabend zu fünft hatten.
Am nächsten Mittag erreichten wir nach einem Sprint über den ganzen Bahnhof in letzter Sekunde noch unseren Zug nach Montpellier. Ein Glück!

Tallinn by night

Grace :)

 Ein Blick auf die Gay Map

Das gefrorene Meer

Frerik, Marie und ich



Candle light dinner am letzten Abend


Guten Abend, Tristan mein Name!

Karo konzentriert bei der Selbstreflexion

Offensichtlicherweise nicht mehr Tallinn, sondern Paris





Freitag, 29. März 2013

Rundbrief 2



Bonjour tout le monde!                                                                            10.3.13




„HALBZEIT!“, schoss es mir vor ein paar Tagen plötzlich durch den Kopf. Tatsächlich bin ich jetzt – es ist kaum zu glauben – schon sechs Monate hier und bin überglücklich darüber.
Ich habe das Gefühl, wirklich hier angekommen zu sein, meinen Platz gefunden und mir mein eigenes kleines Leben aufgebaut zu haben.
Noch immer gefällt mir die Stadt sehr und ich bin jeden Tag wieder begeistert, wenn ich aufstehe und einen strahlend blauen Himmel und Sonnenschein sehe. Den Gedanken, dass ich den nächsten Winter wahrscheinlich wieder im grauen Deutschland verbringen muss, verdränge ich gerne; da ist mir das südfranzösische Klima, auf das die Franzosen so stolz sind, eindeutig lieber.

Zu dem für diesen Rundbrief vorgeschlagenen Thema „kulturelle Unterschiede“ kann ich nur Kleinigkeiten sagen, da sich die französische Kultur der deutschen nach meinem Eindruck sehr ähnelt.
Diese Kleinigkeiten jedoch fangen schon bei der Begrüßung an. „Les bisous“, da kommt man nicht drum herum. Egal, wie groß die Gruppe ist, zu der man hinzu stößt, die Küsschen gehören zur französischen Kultur, sie müssen sein. Ob man sich schon kennt oder nicht, ist hierbei irrelevant.
Allerdings ist damit noch längst nicht alles gesagt, denn Küsschen sind nicht gleich Küsschen.
Zum einen gibt es regionale Unterschiede; in Montpellier gibt man sich drei, in Paris beispielsweise nur zwei Küsschen. Falls es mal schnell gehen muss oder es sich um eine sehr große Gruppe handelt, darf man auch mal nur eins geben, dann jedoch mit Ansage bei jeder Person (ob das Zeit spart, ich bin mir nicht sicher).
Zum anderen gibt es auch unterschiedliche Arten, diese Gebräuchlichkeit auszuführen. Variante 1 besteht darin, nur leicht die Wangen des anderen zu streifen und die Kussgeräusche wegzulassen, sehr beliebt zum Beispiel bei Kindern – oder Ausländern, die der ganzen Sache noch skeptisch gegenüberstehen. Variante 2 beschreibt die normalen Berührungen der Wangen mit Kussgeräuschen, bei Variante 3 handelt es sich hingegen um dicke Schmatzer und ein „Ça va, ma puce?“ – wörtlich übersetzt „Wie geht’s, mein Floh“ – bei älteren Menschen nicht ungewöhnlich.
Wie man sieht, das Ganze ist schon fast eine Kultur für sich.

Marie und ich bei der Karnevalsparty an der Theologie-Uni, als wir versucht haben, die rheinländischen Traditionen einzuführen – die Franzosen waren eine Mischung aus verwirrt und entsetzt, als plötzlich alle Deutschen anfingen, Karnevalslieder auswendig zu singen

 „Une baguette, s’il vous plaît!“, nicht ohne Grund einer der Sätze der französischen Sprache, die man als erstes beherrscht. Grundsätzlich lässt sich sagen, Baguette gibt es immer und überall. Die Franzosen haben ein Talent dafür, es mit verschiedensten Sachen zu kombinieren, was uns zwar manchmal komisch vorkommt, jedoch nicht hinterfragt werden sollte, wenn man keine verständnislosen Blick ernten möchte.
Angefangen beim Frühstück. Es gibt hier keine große Frühstückskultur; selbst in Jugendherbergen wird häufig nur trockenes Baguette mit etwas Marmelade angeboten, welches man dann in den Kaffee oder die Milch taucht (ja, zusammen mit der Marmelade!).
Zum Mittagessen gibt es ebenfalls Baguette als Beilage, falls es sich um ein warmes Essen handelt. Ansonsten Sandwiches – auch nicht unmöglich: Baguette mit Pommes belegt.
Die dritte Mahlzeit am Tag, auf die auch deutlich mehr Wert gelegt wird, als in Deutschland, ist das „gouter“ – der Nachmittagssnack, etwa wie Kaffee und Kuchen. Beliebt ist hier jedoch auch die einfachste Art, sich energiereich zu stärken, und zwar Baguette mit einem Stück Schokolade.
Zu guter Letzt das Abendessen mit bekanntlich mehreren Gängen. Zur Vorspeise wird Baguette serviert, zur Hauptspeise, und nicht zu vergessen, zum Käse danach. Nur für die Nachspeise darf man sich für gewöhnlich eine kleine Pause gönnen.
Wer behauptet, die Deutschen würden viel Brot essen, der hat noch nie Franzosen Baguette essen sehen.
Allerdings gibt es auch beim Baguetteessen einige Fauxpas. Nur ein Beispiel dafür wäre beim Frühstück, denn wer hier nach Käse, geschweige denn nach irgendetwas anderem Salzigen fragt, wird sofort als Nicht-Franzose abgestempelt.

Auch wenn es sich hierbei vielleicht nicht um die „kulturellen Unterschiede“ handelt, die man bei dem Begriff erwarten würde, sind es doch die Dinge, die einen häufig zum Schmunzeln bringen und einem bewusst machen: Ich bin in Südfrankreich.

Seit dem letzten Rundbrief ist natürlich auch viel passiert. Weihnachtsfeiern mit blau und pink glitzernder Dekoration, ein großer Weihnachtsgottesdienst in der Adventszeit, zu dem Gemeindemitglieder jeden Alters ihren Teil beigetragen haben – sei es ein Theaterstück, ein musikalischer Beitrag oder ein Schattenspiel (Marie und ich haben neben der ganzen Vorbereitung mit den unterschiedlichen Gruppen mehr oder weniger erfolgreich und improvisiert mit Flöte und Klavier ausgeholfen) und viele Projekte mit den Kindern aus dem Centre de Loisirs, in dem wir Mittwochs arbeiten, wie z.B. Ausflüge in den Zoo, zum Bowlen oder einen Crêpe-Nachmittag, bei dem jeder einmal seinen Crêpe durch die Luft wirbeln durfte.

 
Meine Kindergottesdienstgruppe bei der Weihnachtsfeier

Über Weihnachten war ich zu Hause, was zwar etwas merkwürdig war, weil mir in einem Moment alles total normal vorkam, im nächsten wiederum völlig ungewohnt, aber trotzdem hab ich die Zeit sehr genossen und mich gefreut, meine Familie und Freunde wiederzusehen.
Anschließend haben wir mit mehreren Freiwilligen der EKiR unseren Mitvolontär Jens in London besucht.
Auch das war sehr schön. Wir haben uns die Stadt angeguckt, Silvester vor dem London Eye gefeiert und uns natürlich viel über unsere Erfahrungen während dieser ersten sechs Monate ausgetauscht.

Ein für mich sehr schönes Gefühl war, diesen Urlaub total genossen zu haben, natürlich auch etwas traurig zu sein, wieder fahren zu müssen, aber auf der anderen Seite zurück nach Montpellier zu kommen mit dem Gedanken: „Jetzt bin ich wieder zu Hause!“.
Vor allem das frühlingshafte Wetter, das uns empfing und uns dazu veranlasste, im Januar draußen im Park zu frühstücken und eine Fahrradtour an den etwa 15km entfernten Strand zu machen, versöhnte uns mit dem Alltag und ließ die zwei Monate danach wie im Flug vergehen. Bis vor zwei Wochen auch schon das Ski Camp vor der Tür stand.

Dieses organisiert der Pfarrer Joël seit einigen Jahren für Jugendliche von 11 bis 16 Jahren. Zwar ist der Träger die protestantische Kirche, allerdings muss man weder Mitglied der Gemeinde, noch evangelisch sein, um mitzufahren.
Marie und ich durften als zwei von acht Betreuern und einer Gruppe von 43 Jugendlichen dabei sein. Wir waren in einer Unterkunft in dem von hier etwa sechs Stunden entfernten St. Julien-en-Vercors, in der Nähe von Grenoble, untergebracht, von der wir dann jeden Morgen mit einem Reisebus zur Skistation gebracht und um 17 Uhr wieder abgeholt wurden.
Die 14 bis 16-jährigen durften in Dreiergruppen alleine Ski fahren, die Jüngeren teilten wir in Gruppen danach auf, wie gut sie schon fahren konnten und begleiteten sie dann mit je ein oder zwei Betreuern pro Gruppe.
Dadurch, dass wir unter Betreuern mittags meist tauschten, hatten wir viel Abwechslung. Besonders lustig war es mit einer Gruppe Jungs eigentlich mittleren Ski-Niveaus, die jedoch am liebsten den ganzen Tag nur schwarze Pisten „Schuss“ runter gefahren wären – tatsächlich, den Begriff „Schuss“ fahren gibt es hier auch, nur eben mit französischer Aussprache.




Sobald wir wieder in der Unterkunft angekommen waren, jeder sich geduscht hatte und wir zu Abend gegessen hatten, ging es quasi ohne Pause weiter mit dem Abendprogramm.
Das Projekt des Camps war eine Gerichtsverhandlung zum Thema „War Petrus Jesus treu?“.
Dazu bildeten wir drei Gruppen, die Kläger, die Verteidigung und die Presse.
Im Anschluss wurden Bibeltexte gelesen und die Rollen der Zeugen, Anwälte, Psychologen und weiteren Beteiligten verteilt. Es wurden Argumente gesammelt, Beweisstücke hergestellt (bespielweise die Taschentücher, mit denen Petrus sich die Tränen getrocknet hat) und sich eine Taktik überlegt, die Richter zu überzeugen.
Zusammen mit einer weiteren Betreuerin war ich für die Journalistengruppe zuständig. Neben Karikaturen, seriösen Artikeln und skandalösen Schlagzeilen, die wir an unser selbstgebasteltes schwarzes Brett pinnten, bereiteten wir kurze, talkshowähnliche Interviews vor, die wir während des Prozesses, der am letzten Tag stattfand, vortrugen.
Das Abendprogramm endete zwischen 22 und 22:30 Uhr nach dem „temps spi“, einem „spirituellen Moment“, der je von einem von uns Betreuern vorbereitet wurde und meist aus Gesang, einem philosophischen oder biblischen Text, Kerzenschein und einem Gebet bestand.
Da Joël so ziemlich jeden zum singen motivieren kann, war auch dies immer ein sehr schöner Abschluss.
Für die Betreuer endete der Abend allerdings erst nach der Vorbesprechung für den nächsten Tag beim „cinquième“ – der fünften Mahlzeit am Tag, bestehend aus Wein, Tee, Käse und Schokolade, gegen 12 bis 1 Uhr.

Als Bilanz kann man sagen, dass man zwar nach dem Camp mit Schlafmangel und ziemlich erschöpft ins Bett gefallen ist, aber dennoch super zufrieden und glücklich war.
Bis auf ein paar an einer Grippe Erkrankte hat alles blendend funktioniert; das Skifahren hat Spaß gemacht, die Landschaft war wunderschön, die Stimmung innerhalb der Gruppe war super, sowohl auf den Pisten als auch beim Abendprogramm waren die meisten noch viel motivierter, als ich zu hoffen gewagt hatte, und auch wenn wir dieses Mal als Betreuer mitgefahren waren, hatten wir am Ende ein wenig das Gefühl, von einer Klassenfahrt wiederzukommen.
Was meine Arbeit hier angeht, waren dies wohl die intensivsten und schönsten Momente bisher.


     
Auf der Spitze des Pic Saint Loups, einem 658m hoher Berg hier in der Nähe, auf den wir gestern geklettert sind


 Insgesamt geht es mir super und ich freue mich auf das nächste halbe Jahr in Montpellier!
Nächste Woche geht es für uns nach Tallinn zum Zwischenseminar der EKiR, worauf ich ebenfalls sehr gespannt bin.



Viele liebe Grüße

Jana

Samstag, 17. November 2012

Kein Titel ist auch ein Titel

Wow, mittlerweile ist echt schon wieder einige Zeit vergangen, viel passiert, wir hatten Besuch und abgesehen davon, dass mein Blog auch wirklich mal wieder aktualisiert werden sollte, nutze ich jede Gelegenheit, mich vor meinem Rundbrief zu drücken.
Gestern Abend haben wir es sogar soweit getrieben, dass wir die Haferflocken aus unserem Müsli raussortiert haben, um damit Haferflockenbrei zu machen, denn wenn man die einzeln kauft, sind sie nämlich viel teurer!
Hat sich auch sehr gelohnt, wir hatten einen lustigen Abend, ein leckeres Frühstück und unser Rundbrief ist immer noch kein Stück länger.

Wenn er denn doch irgendwann fertig ist, sollte er viel zu meiner Arbeit enthalten, weshalb ich mich hier zunächst einmal hauptsächlich auf unsere Freizeit beschränke.
Ende Oktober kam meine Freundin Hannah aus Hamburg, die zur Zeit ebenfalls ein FSJ in Frankreich macht, mit ihrer Mitfreiwilligen Kristin für 9 Tage zu Besuch.
19:30 - Einladung zum Essen, 22:00 - Ankunft am Bahnhof, Auto dabei - flexibel, das alles sollte eigentlich kein Problem sein, wenn man nicht bedenkt, dass wir hier in Frankreich sind.
Letztendlich kamen wir total überfüllt nach einem leckeren Essen mit Vorspeise, Hauptspeise, Käse mit Brot, Wein, mehreren Nachspeisen, Obst, Kaffee und Tee um 23 Uhr am Bahnhof an, und das auch nur, weil wir angekündigt hatten, dass wir noch weg mussten. Ansonsten hätten wir das Essen auch locker noch über eine weitere Stunde ausbreiten können.

Abgesehen von dieser anfänglichen Verspätung hatten wir sehr schöne Tage. Wir haben viel unternommen, gelacht, gekocht und nicht zu vergessen, haufenweise Mitbewohnergeschichten ausgetauscht. An einem Abend waren wir beim CineMed, einem Filmfestival hier in der Stadt, und haben uns einen aus sieben Kurzfilmen bestehenden Film zum Thema Wasser angeguckt. Es waren abwechselnd dokumentarische und fiktionale Beiträge, die "Wasser" in allen möglichen Facetten behandelt haben - im weitesten Sinne wohl die Wassermelone - ,allerdings auch die gesellschaftlichen Konflikte zwischen Israel und Palästina, da der Film von verschiedenen Regisseuren aus beiden Ländern gedreht wurde
Entsprechend war er auf Hebräisch und Arabisch mit französischen Untertiteln, was jedoch kein großes Problem war. Mittlerweile klappt das Verstehen des Französischen zu meiner Freude schon fast ausnahmslos. Beim Sprechen verflucht man innerlich zwar immer noch die unnötigen Artikel (warum bitte ist denn die französische Sonne männlicher als die deutsche?!), das Subjonctif und die unregelmäßigen Verben, aber im Großen und Ganzen wird es immer besser und einfacher.
(Manchmal gibt es natürlich noch Missverständnisse und Peinlichkeiten, z.B. wenn man versucht, seiner Mitbewohnerin das Rezept eines Baiser-Himbeer-Nachtisches zu erklären und dabei vergisst, dass "baiser" ein umgangsprachliches Wort für "miteinander schlafen" ist!)

Ein Tagesausflug nach Sète, einer süßen, kleinen Hafenstadt hier in der Nähe, war auch im Programm. Nachdem ich in Montpellier jetzt schon das Meiste gesehen habe, durfte ich dort auch mal wieder Tourist spielen, mit einem Stadtplan und meiner Kamera in der Hand herumlaufen und die durch das diesige Wetter zwar etwas grauen, aber trotzdem sehr schönen Eindrücke festhalten.
Außerdem waren wir in Avignon, wo dann auch Grace dabei war, eine Freundin von uns, die ebenfalls mit der EKiR ihr FSJ in Grenoble macht und zeitgleich mit den anderen beiden 4 Tage hier war. Als wir auf dem Rückweg mit einem Ohrwurm von "Sur le pont d'Avignon" im Zug saßen, packten wir Wolle und Nadeln aus und fingen an zu stricken - uns hatte allesamt das Strickfieber gepackt! Daraufhin ernteten wir einige skeptische Blicke von unseren etwa Mitte zwanzigjährigen Sitzbarinnen, die wohl dachten, wir verständen kein Französisch: "Das ist ja schon ganz schön und so, aber wir sind doch hier im 21sten Jahrhundert!" " Was meinst du, wo man so was lernen kann? Kommen die vielleicht aus England?!"



Nachdem der ganze Besuch wieder weg war und es sich hier etwas leer und still angefühlt hat, kam letzte Woche noch meine Mutter für ein paar Tage zu Besuch.
(Ich kann mich nicht erinnern, mich schon jemals so über einen mitgebrachten Mixer PLUS PÜRIERSTAB und zehn Packungen unterschiedlichen Tees gefreut zu haben!)
Wir konnten ihr Montpellier von seiner schönsten Seite mit herrlichem Wetter, Vögelschwärmen im Sonnenuntergang und Temperaturen vorstellen, bei denen man sogar im T-shirt rausgehen konnte.
Zudem haben wir frisch gebackenes Baguette mit leckerem Käse gefrühstückt (den man sich normalerweise nicht leistet), waren in einem super süßen kleinen Restaurant essen und haben Wein getrunken - sehr französisch und sehr schön!

Sehr französisch ist auch der überaus ausgeprägte Stolz auf die französische Küche und das südfranzösische Wetter, welches sich die Franzosen doch manchmal etwas schönreden. Die Apothekenthermometer stehen ausschließlich in der Sonne und zeigen meist Temperaturen, die im Schatten unmöglich so hoch sein können und dass es auch mal regnet verdrängen sie meist, indem sie bei Regen halt einfach nicht rausgehen.
Als ich letztens Training hatte, der Trainer eine halbe Stunde vor Schluss abpfiff und ich etwas irritiert fragte, warum wir aufhörten, sagten alle ganz selbstverständlich: "Es regnet doch!"
Und sie seien ja nicht verrückt wie die Deutschen, im strömenden Regen und bei Schnee - "WAS?! Ihr trainiert sogar bei Schnee?!?!" - zu trainieren. Während ich mich dann also auf den Weg zu meinem Fahrrad machte, erntete ich wiederum halb bewundernde, halb ungläubige Blicke.
"Du fährst jetzt mit dem Fahrrad durch den Regen nach Hause, und du wohnst in der Innenstadt?!" Dazu muss man sagen, dass der Weg keine Viertelstunde dauert.
Ich fahre mittlerweile fast überall mit dem Fahrrad hin, was schnell und praktisch ist, auch wenn die Straßen meist nicht im besten Zustand sind und es quasi nur Einbahnstraßen gibt, wodurch ich dann oft gegen alle Autos anfahre. Da die Franzosen den Verkehrsregeln aber generell keine große Bedeutung zumessen, stört da auch ein einsamer, fahrradfahrender Falschfahrer nicht (man sieht kaum Leute, die Fahrrad fahren).

Kleiner Tipp am Rande:
Google Translator ist NICHT vertrauenswürdig! Ich habe probeweise versucht, einen Satz von einem französischen Zitronenkuchenrezept dort einzugeben und zu übersetzen. Heraus kam:
"Entfernen Sie die Lebensfreude, die 5 Sekunden verbrüht und dann stürzten wir uns in heißes Wasser" - da überlegt man sich doch zweimal, für wen man den Kuchen backt!
Eigentlich war gemeint, dass man die Schale abreiben, sie 5 Sekunden in kochendes Wasser tun und danach kalt abspülen sollte.

So weit, so gut, jetzt noch ein paar Bilder:


Schönes Wetter im Oktober


Hier haben wir Street Art mit den Kindern im Centre de Loisirs gemacht
  

Ebenfalls im Centre bei der Vorbereitung für ein Radioprojekt


Unser Mitbewohner lässt seine Lebensmittel gerne mal im Schrank liegen, bis sie komplett grün, nass und stinkend sind





Flyer für's Centre de Loisirs verteilen

 
Im Zug nach Sète mit Hannah


Sète
  


Hannah, Kristin und ich


Was in den Boulangerien von Sète so alles angeboten wird... :D

Das sollte man anscheinend eher nicht essen?!


Die öffentlichen Toiletten


Merkwürdige Werbung



Der wirklich riesige Friedhof von Sète


Hier gibt es sehr viel Street Art, was uns noch einmal besonders stark auffällt, nachdem wir das mit den Kindern gemacht haben





Beim Vorbereiten der Kürbis-Rote Beete-Suppe


In Gedenken an Jens ;)

Auch in Avignon viel Street Art




Grace und Marie

Avignon


Können sich wohl nicht entscheiden, in welche Richtung die Umleitung führen soll

Le Pont d'Avignon

Eine Chocolaterie mit kandierten Früchten

Bedienungsanleitung für die Ampel


Meine Mutter und ich